Fachbeitrag XGS-PON Open Access Technologien

Vorteile moderner Access-Technologien in offenen XGS-PON Systemen

Der Umstieg auf den XGS-PON-Übertragungsstandard kann schon heute lohnend sein. Der Beitrag beleuchtet die Unterschiede der aktuellen Standards, betrachtet die Betriebskosten und worauf es für Netzbetreiber bei der Auswahl der Hardware ankommt.

Von Georg Brandt, CTO der Anedis GmbH

Abbildung-1_Calix-E9-mit-zwei-Shelfs

In Europa wurden in den vergangenen Jahren viele FTTH-Netze mit Punkt-zu-Multipunkt-Verbindungen auf Basis von GPON realisiert. Hierbei bietet GPON Übertragungsraten von 2,5 Gbit/s im Downstream und 1,25 Gbit/s im Upstream und wird in der Regel mit einem 1:32-Split gebaut. Die GPON-Technik ist erprobt und bietet aktuell noch ausreichend Bandbreite für den aktuellen Bedarf der Endkunden.

Die Coronapandemie hat unter anderem auch gezeigt, dass man nie genau vorhersagen kann, wann und nach welchen Mustern der Bandbreitenbedarf steigt. Des Weiteren gibt es Tendenzen, die einen Trend zu stärkeren Änderungen von Peaknutzung und -zeiten zeigen. Ein gewisses „Mehr an Bandbreite“ wird somit immer von Vorteil sein.

Mit dem 2016 eingeführten XGS-PON (ITU G9807.1) wurde erstmals ein PON-Standard zur Realisierung von symmetrischen 10 Gbit/s in Punkt-zu- Multipunkt-Netzen spezifiziert. Schneller als die bisherigen aktiven Access- Technologien hat XGS-PON eine solide Marktreife erreicht und wird kommerziell bereits in vielen Ländern (Schweiz, Großbritannien, USA) genutzt. Bei neuen Projekten bietet sich XGS-PON für den Ausbau somit an – insbesondere unter dem Aspekt der Innovationskraft und der damit verbundenen Zukunftssicherheit und Nachhaltigkeit.

Vergleich von XGS-PON, GPON und Active Ethernet

Bei näherer Betrachtung stellt sich jedoch die Frage, ob der Umstieg auf XGS-PON jetzt schon lohnend ist. Zum einen sind, wie bei Einführung aller neuen Standards, die Vorgängerprodukte noch deutlich günstiger, zum anderen kann die etablierte GPON-Technologie den heutigen Bandbreitenbedarf der Endkunden aktuell noch mühelos abdecken.

Ein wichtiger Unterschied im Vergleich zu GPON ist der Splitfaktor von 1:64, der sich in internationalen XGS-PON-Projekten als Quasi-Standard etabliert hat. Somit wird für aktive Technik im Datacenter oder im Multifunktionsgehäuse (MFG) an der Straße nur noch die Hälfte an aktiven Ports und Equipment im Vergleich zu GPON benötigt. Wo im Datacenter der Platzbedarf häufig noch nicht der entscheidende Faktor ist, wird der Vorteil im MFG jedoch umso deutlicher. Vergleicht man nun XGS-PON mit Punkt-zu-Punkt Active Ethernet 1 Gbit/s, werden nur etwa 5 Prozent an Platz und vor allem Strom benötigt, was erhebliches Potenzial zur Kostenreduzierung bietet.

Unter den derzeitigen makroökonomischen Umständen der geplanten Energiewende und Dekarbonisierung ist es sicher angebracht, mit steigenden Kosten über die typische Laufzeit des aktiven Equipments zu rechnen. Dabei ist weiterhin zu berücksichtigen, dass im Datacenter oder PoP nicht nur der direkte Stromverbrauch der Optical Line Terminals (OLTs) eingespart wird. Der Stromverbrauch des aktiven Equipments wird weitgehend in Wärme umgewandelt, weniger Stromverbrauch bedeutet somit weniger Wärme und dadurch auch weniger Aufwand und Kosten für die Klimatisierung der Standorte.

Dies sind Vorteile, welche auch für vereinfachte und kosteneffiziente Multifunktionsgehäuse ohne Klimatisierung genutzt werden können.

Die Kostenbetrachtung über die gesamte Laufzeit der aktiven Technik ist ein weiteres wichtiges Argument für XGS-PON. Die etablierten Technologien können den heutigen Bandbreitenbedarf sicher noch gut bedienen, jedoch ist bereits absehbar, dass Netzelemente für GPON oder Active Ethernet 1 Gbit/s eher früher als später getauscht werden müssen, um zukünftigen Anforderungen sowie dem Wettbewerbsdruck und der erhöhten Unvorhersagbarkeit des Endkunden-verhaltens gerecht zu werden. Betrachtet man die Kosten für einen GPON-ONT (Optical Network Termination) zuzüglich des Austauschs durch einen XGS-PON-ONT in einigen Jahren, ist dies in Summe deutlich kostenintensiver, als bereits heute gleich in die neue Technologie zu investieren, selbst unter der Prämisse sinkender Preise für XGS-PON-ONTs. Dies beruht insbesondere auf dem Aufwand und den Kosten für Logistik, Provisionierung und Verwaltung beim Tausch des ONT.

Anforderungen an den OLT in XGS-PON-Netzen

Mit der zunehmenden Bandbreite im Access gewinnt die Aggregationsebene bei der Planung skalierbarer Multi- Gigabit-Netze an Bedeutung. Im Vergleich zu einem heute üblichen Active- Ethernet-Access-Switch mit einem oder zwei 10-Gbit/s-Uplinks bei 24 oder 48 Gigabit Access-Ports ist ein XGS-PON-OLT, wie beispielsweise die Calix E7 mit bis zu vier 100-Gbit/s-Ports bei 16 XGS-PON-Ports, beim Aspekt „Shared Media“ mehr als nur auf Augenhöhe mit Active Ethernet.

Die Uplink-Bandbreite von 100 Gbit/s stellt jedoch auch besondere Anforderungen an den häufig vorkommenden Einsatz der Hardware in Multifunktionsgehäusen ohne aktive Klimatisierung. Viele OLT-Geräte sind bereits für einen erweiterten Temperaturbereich ausgelegt, was auch für die 100-Gbit/s-Optik beachtet werden muss, da die üblichen Optiken nicht für den erweiterten Temperaturbereich ausgelegt sind. Die Calix E7 ermöglicht die Verwendung von Standard 100 Gbit/s-QSFP28-Optiken im erweiterten Temperaturbereich.

Im Bereich Datacenter ergeben sich wiederum andere Anforderungen an die Hardware. Hier ist es wichtig, den vor- handenen Platz effektiv zu nutzen und eine hohe Portdichte zu realisieren. Diesbezüglich bieten große Chassis-Lösungen zwar den Vorteil einer hohen Portdichte, belegen unter Umständen jedoch viel Platz, sofern nicht alle Slots von Beginn an belegt werden.

Eine ideale Lösung sind hier Shelfbasierte „stackbare“ OLTs wie die Calix E9 (siehe Abbildung 1) welche aus bis zu neun einzelnen 2 HE Chassis ein Gesamtsystem bilden können. Hierbei werden die einzelnen Chassis über redundante 100 Gbit/s Verbindungen per Chassis blockierungsfrei verbunden. Das Gesamtsystem bietet 256 XGS-PON- Ports und ermöglicht somit die Anschaltung von bis zu 16.000 Kunden bzw. ONT bei einem 1:64-Split.

Vorteil solcher Shelf-basierter Systeme ist, dass z. B. Lüftereinheiten und Stromzuführung dezentral – pro Shelf – erfolgen und nicht wie bei Chassis-Systemen zentral. Diese zentralen Einheiten sind häufig der limitierende Faktor, um z. B. eine höhere Portdichte pro HE zu realisieren – einfach auf Grund zu geringer Kühlleistung oder Stromzuführung, welche von der zentralen Einheit zur Verfügung steht.

Im Gegensatz zu Active Ethernet bilden bei der PON-Technologie der OLT und die ONT ein einheitliches System. Dies erfordert zwar eine Integration der ONT in das OLT-System, bietet jedoch durch die einheitliche Plattform durchaus Vorteile im Betrieb. So können im XGS-PON detaillierte Informationen zum Status des ONT und des UNI (User Network Interface) zentral über den OLT abgefragt werden. Dies bietet die Möglichkeit, über eine einheitliche Schnittstelle ONTs unterschiedlicher Hersteller zu provisionieren und den Betrieb des Netzes zu automatisieren.

Moderne Element Manager stellen zur Provisionierung APIs über eine REST/ JSON-Architektur zur Verfügung, während Netconf/YANG zur direkten Kommunikation mit den OLTs genutzt wird. Für den steigenden Bedarf an Analysedaten stellt das Betriebssystem kontinuierlich Telemetriedaten zur Verfügung. Diese neuen „Push“-Methoden wie IPFIX sind ebenfalls besser geeignet als das herkömmliche SNMP („Pull“- Modell), um umfassende Telemetriedaten zu erfassen ohne zu riskieren, dass die Netzelemente dabei überlastet werden.

Anforderungen an ONTs in XGS-PON-Netzen

Voraussichtlich werden XGS-PON-ONTs eine sehr lange Lebenszeit in den Netzen haben, bevor ein Upgrade auf eine potenzielle Nachfolgetechnologie ansteht. Was jedoch nach wie vor recht kurzen Innovationszyklen unterliegt, ist die WiFi-Technologie. Die Anwendungen der Endkunden sind heute überwiegend kabellos und instabiles WiFi ist eine der Hauptursachen von Kundenbeschwerden in High-Speed-Netzen. Ein Konzept aus Layer 2 XGS-PON-ONT und separiertem WiFi-Gateway ermöglicht deshalb die langfristige Nutzung der XGS-PON-ONT sowie ein flexibles Upgrade nach Bedarf auf modernste WiFi-Technologien. Insbesondere in einem Open-Access-Netz mit mehreren Service Providern können ONTs mit Funktionen für SOAM (Service Operations, Administration and Maintenance) den Netzbetrieb erheblich vereinfachen.

SOAM-Funktionen ermöglichen das Schalten von Schleifen, LinkTrace und CCM (Continuity Check Message), um aus der Ferne Servicebeeinträchtigungen effektiv eingrenzen und beheben zu können.
Eine in Deutschland nach wie vor relevante Funktion von ONTs ist RF Overlay, um DVB-C-Signale auch über FTTH-Netze anbieten zu können.

XGS-PON-ONTs, wie beispielsweise die DKT 79759, bieten diesbezüglich mit einem 10G-/5G-/2,5GLAN- Interface und einem integrierten RF-Overlay-Port die volle Flexibilität für einen Layer-2-Netzanschluss. Für den Netzbetreiber ist es hilfreich, Partner für OLT und ONT zu wählen, die in der Integration der Elemente aktiv kooperieren.

XGS-PON Distribution Point Units (DPU)

Durch die hohen synchronen Bandbreiten bietet sich das XGS-PON nicht nur für FTTH an, sondern auch zur Realisierung von Backhaul-Anbindung für 5G „Small Cells“ und vor allem zur Anbindung von FTTB DPUs.

G.fast DPUs mit XGS-PON-Uplink können deshalb als ideale Ergänzung zur Realisierung von Multi-Gigabit-Lösungen eingesetzt werden, wenn ein FTTBKonzept erforderlich ist.

Tabelle 1: Übersicht G.fast und G.(mg) fast ITU-Standards
Tech­nologieSpektrum NutzungBandbreite„Tone“ BreiteAnzahl „Tone“Aggregierte
Datenrate
ITU-Standard
G.fast 106Zeitduplex TDD106 MHz51,375 kHz20481 Gbit/sG9700 (2014)
G.fast 212Zeitduplex TDD212 MHz51,375 kHz40962 Gbit/sG9700 (2017)
G.(mg)fast 424Frequenzduplex FDD424 MHz51,375 kHz81925 Gbit/sG9710/9711 (2020)
G.(mg)fast 848Frequenzduplex FDD848 MHz120,750 kHz819210 Gbit/sG9710/9711 (2020)
for further study

G.fast-Bandbreiten und Duplexverfahren

G.fast 212 bietet Bandbreiten bis zu maximal 2 Gbit/s bei den für Hausverkabelung typischen Kabellängen von bis zu 50 Metern. Im Unterschied zu VDSL nutzt G.fast kein Frequenzmultiplex zur Trennung von Up- und Downstream, sondern ein Zeitmultiplexverfahren (TDD). TDD ermöglicht die vollständige Nutzung der Unterträger, teilt die Bandbreite jedoch in Zeitschlitze auf, wobei jeder Zeitschlitz entweder für den Upstream oder für den Downstream, aber nie für beides verwendet werden kann.

Jeder Zeitschlitz kann dabei alle Unterträger nutzen. Um Interferenzen zu vermeiden, müssen diese Zeitschlitze durch Schutzzeiten getrennt werden, in denen in beiden Richtungen kein Verkehr übertragen wird. Dadurch hat das TDD-Verfahren eine geringere spektrale Effizienz, kann aber die Verteilung der Bandbreite auf Upund Downstream flexibler adaptieren.

Bei G.fast wird die Möglichkeit der dynamischen Zuweisung von Bandbreite für Upstream oder Downstream als Dynamic Timeslot Assignment (DTA) bezeichnet. Hierbei gibt es zwei Varianten von DTA: Unabhängige (iDTA) und koordinierte (cDTA). iDTA wird verwendet, wenn Interferenzen zwischen G.fast-Leitungen nicht möglich sind, wie bei einer Koaxial-Sternverkabelung. cDTA wird wiederum verwendet, wenn sich mehrere G.fast-Leitungen im selben Zweidraht- Stammkabel befinden, und es somit zu Interferenzen kommen kann.

Um die volle Funktionalität der dynamischen Zuweisung der Bandbreiten gewährleisten, ist es bei der Nutzung von cDTA erforderlich, dass sowohl die DPU als auch die Endgeräte beim Kunden cDTA entsprechend unterstützen.

G.fast-DPU-Management

Das Broadband World Forum hat in der TR-301 neben der etablierten Methode des dedizierten Managements der DPU mit dem Modell 2 eine Methode zur Integration der DPU in das Uplink-Protokoll ermöglicht. Beim Modell 2 wird die Diensteverwaltung (Datenübertragung) über OMCI vom OLT bereitgestellt. Dies vereinfacht die Integration mit bestehenden PON-Backoffice-Systemen, da die DPU hierbei einen Multi-Port-Ethernet- ONT emuliert. Die Integration der DPU als Multi-Port-ONT ist eine wesentliche Vereinfachung bei der Provisionierung, Automatisierung sowie der Vereinheitlichung von FTTH- und FTTB-Diensten.

G.fast Remote Power Feed

Ein weiterer wichtiger Aspekt der TR-301 ist die Fernspeisung der DPU über die Zweidrahtleitung. Dies ermöglicht eine vereinfachte und kostengünstige Installation in Mehrfamilienobjekten, da hier auf eine zusätzliche Stromversorgung und separate Stromzähler verzichtet werden kann. Die DPU-Anbieter bieten hier überwiegend standardbasierte Lösungen gemäß ETSI TS 101 548. Diese Norm definiert die drei Einspeiseklassen SR1, SR2 und SR3, wobei die Klassen SR1 und SR2 zur Installation durch Endbenutzer zugelassen sind, während die Klasse SR3 der Installation durch professionelle Fachkräfte vorbehalten ist. Weitere wichtige Aspekte der Fernspeisung sind die Reichweite der Sicherheitsklassen und einzuhaltende Sicherheitsvorgaben wie ein auf Metalldetektion basierendes Startprotokoll.

Die XGS-PON DPU-Familie von Casa Systems erfüllt sowohl die Anforderungen der Fernspeisung als auch das Management- Modell nach TR-301 Modell 2 und ist bereits als Multi-Port-ONT in die OLT-Lösungen von Calix integriert.

Fazit

XGS-PON ist die Technologie der Wahl, um heute zukunftssichere Multi-Gigabit und Multi-Service-Netze für FTTB und FTTH nachhaltig zu realisieren. Mit der Kombination der Lösungen verschiedener Hersteller wie Calix und Casa Systems bekommt der Netzbetreiber die besten Produkte für die vielfältigen Anforderungen beim Bau der digitalen Infrastruktur nach dem „Best-of-Breed“- Ansatz. Kompetente Systemintegratoren und Systempartner wie die ANEDiS gewährleisten das reibungslose Zusammenspiel der Gesamtlösung und lokalen Support während der gesamten Laufzeit der Technik.

Georg Brandt  | CTO Anedis GmbH

Alexander-Meißner-Straße 24-28
12526 Berlin

Tel. +49 30 710963-0
E-Mail info@anedis.de

Dieser Fachbeitrag erschien zusätzlich in der  der Cable! Vision Europe, Ausgabe 3/2022.